Bereich Fotografie – Förderpreise 2020

Nominierte im Bereich Fotografie:

Maria Leonardo Cabrita
Jutta Görlich und Edward Beierle
Saskia Groneberg
Peter Langenhahn
Michael Mönnich
Sigrid Reinichs
Anne Wild

<p>Maria Leonardo Cabrita, <em>Vulcano</em>, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz</p>

Maria Leonardo Cabrita, Vulcano, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz

Ein PDF Dokument mit den CVs aller im Bereich Fotografie Nominierten gibt es hier.

Maria Leonardo Cabrita
Vulcano

In the nineteenth century, the French astronomer Urban Le Verrier, known for the discovery of Neptune, found that the precession of Mercury perihelion was bigger than what Newton’s theory of gravity predicted. In an attempt to explain the discrepancy, he presumed the existence of a planetary-mass located between the Sun and Mercury. The idea gained traction when an amateur astronomer, Edmond Lescarbault, claimed to have seen the planet transiting the sun on the afternoon of March 26th, 1859. After meeting him to confirm this observation,
Urban Le Verrier was convinced and rapidly announced the discovery of the new planet, giving it the name Vulcano.
A hunt between professional and amateur astronomers started but nothing was ever found because the planet simply wasn’t there.
Only by 1915 the hypothesis of Vulcan finally fell down with the discovery of Einstein’s General Theory of Relativity. An entirely different approach of the understanding of gravity was introduced, presuming that space and time were not static after all but dynamic
instead. Consequently, a vast mass like the sun creates curvature in space-time, shaping Mercury’s orbit itself. The existence of another planet was, therefore, no longer a viable possibility.
The present project shows the rediscovery of Vulcano and its imaginary cosmos. It joins together in a book: pictures and geological features from a small island called Vulcano, a black and white archive, photograms of rocks and Einstein’s grid of relativity, and a small docufiction.

(Text: Maria Leonardo Cabrita)

Jutta Görlich und Edward Beierle
Ach, bleib!

Edward Beierle und Jutta Görlich arbeiten schon seit 2008 zusammen. Lebensräume, deren Inbesitznahme oder deren Vernachlässigung durch Gleichgültigkeit oder Unwissen sind Themen, für die sich beierle.goerlich interessieren. Für ihre Arbeiten suchen sie Orte auf, die sich kurz vor oder nach ihrer Transformation durch architektonische Interventionen befinden.

In vielen Projekten von beierle.goerlich taucht die Kunstfigur „Die schwarze Frau“ auf. Sie fungiert als Stellvertreterfigur für die ehemaligen und neuen Bewohner*innen. Jutta Görlich bespielt die verlassenen Räume und Edward Beierle dokumentiert fotografisch diese Aktionen.

Durch Präsentationen der Bilder im öffentlichen Raum und Erwandern dieser Ausstellungen mit den Bewohner*innen erweitern beierle.goerlich den Blick auf vertraute städtebauliche Strukturen und partizipieren somit künstlerisch an Entwicklungsprozessen.

2014 besuchte die schwarze Frau Blaibach, ein Dorf im Bayerischen Wald. Durch Präsentationen der großformatigen Plakate im Öffentlichen Raum wurde das Dorf zum Museum. Die Bilder hängen noch immer im Dorf.

(Text: Edward Beierle und Jutta Görlich)

www.beierlegoerlich.com

Saskia Groneberg
Garden City

Saskia Groneberg untersucht in ihren Arbeiten das Verhältnis von Mensch und Natur. Sie forscht an Aspekten domestizierter und konstruierter Flora wie Stadtlandschaften, Parks oder Büropflanzen und ergründet diese als Spiegelbilder und Projektionsflächen des Einzelnen wie auch der Gesellschaft.

„Garden City“ – eigentlich die Metapher für eine nachhaltige Gartenstadt – ist in der Realität eine Megacity mit gigantischen Baustellen, modernen Malls, endlosen Staus und brennenden Seen. Eine Stadt, die exponentiell wuchert. Den Namen „Garden City“ verdankt Bangalore – eine der am schnellsten wachsenden Städte weltweit – ihrer Vergangenheit mit mildem Klima, historischen Gärten, Seen und blühenden Alleen.

Die Leuchtkästen zeigen alltägliche Details der heutigen „Gartenstadt“, in der alte und neue Strukturen sich überlagern. Sie offenbaren dabei eine rätselhafte Schönheit: Den gekrümmte Baum, der in der blauen Baustellenabsperrung verschwindet; mit Wandfarbe gesprenkelten Blätter; oder die Rauchschwaden illegal verbrannten Mülls, die im Abendlicht durch die Bäume wabern. Und den Bauarbeiter, der heutige Gärtner von „Garden City“.

www.saskiagroneberg.de

Peter Langenhahn

Ähnlich wie in einem Dokumentarfilm wird die Zeitspanne einer Veranstaltung auf die wichtigsten, dynamischsten oder spannendsten Momente zusammengefasst. So können auch die Arbeiten der Reihe „Zeitwinkel“ erklärt werden. Anders als beim Film ist jedoch kein klarer Zeitstrahl erkennbar wodurch die ausgewählten Szenen miteinander im Dialog stehen. Jeder Moment, der mit der Kamera eingefangen und für die Komposition ausgewählt wurde, ist authentisch dokumentiert. Der Ort des jeweiligen Geschehens wird nicht verändert. Auf Grund der parallelen Existenz der einzelnen Augenblicke im selben, direkten Umfeld, entstehen ganz neue Geschichten und Ereignisse, die so nie passiert sind. Diese können witzig und grotesk wirken, und regen den Betrachter zum suchen und näheren Hinsehen an. Ähnlich wie bei Wimmelbildern, wie man sie aus Kinderbüchern kennt, kann der *die Betrachter*in sich lange Zeit mit nur einem Motiv beschäftigen.

Als Gegenstück zum Bildkonsum, der wachsenden Bilderflut und der schnelllebigen Gesellschaft, ist es nicht möglich die „Zeitwinkel“ – Arbeiten „auf die Schnelle“ zu begreifen. Es muss Zeit investiert werden damit sich das Bilder erschließt. Durch die Fülle an Details kommt es immer wieder zu Entdeckungen neuer kleiner Geschichten, wodurch der Betrachter lange im Bild gehalten wird.

Obwohl die Momente nun auf einen Augenblick zusammengefasst sind braucht es umso länger das gesamte Bild zu entschlüsseln. Komprimierte Zeit auf dem Bild wird dem Betrachter wieder abverlangt.

Mit der Masse an Momenten steigt auch der Bedarf an Raum. Trotz der recht kleinen Darstellung einzelner Szenen ist das Gesamtbild sehr groß. Einzelne Momente verdichten den Raum Zum Zeitraum. Zeit und Raum stehen auch in der Fotografie in direktem Verhältnis.

(Text: Peter Langenhahn)


Michael Mönnich

Arbeit, Heim, Komfort

Alle technischen Systeme, die vorgeben künstliche Intelligenz zu besitzen, wurden vorher angelernt. Dies gilt für Gesichtserkennungssoftware ebenso wie für autonomes Fahren oder Überwachungskameras im Smart-Home. Die für die Entwicklung benötigten technischen Bilder können seit der Verbreitung der Digitalfotografie und des Internets besser denn je global produziert, transferiert und als Waren gehandelt werden.

‚Arbeit, Heim, Komfort‘ beschäftigt sich mit einem Datensatz, der aus 68,8 Stunden Videomaterial besteht. Dieses Bildarchiv wurde vollständig von selbständigen, über den Globus verteilten Internet-Arbeitskräften produziert. Über sogenannte Crowdworking-Plattformen können die manuellen, aber zeitintensiven Arbeiten, die bei der Erstellung von Datenmaterial anfallen, ausgelagert werden.

Die Installation besteht aus zwei Projektionen. Diese zeigen verschiedene Räumlichkeiten im Zuhause einer Familie. Diese Familie führt dort vorgegebene Handlungen vor der Kamera auf. Ein Monitor legt das dazugehörige Skript offen. Die englischen Untertitel sind Transkripte der Unterhaltungen, die hintergründig beim Filmprozess stattfinden und im Endprodukt des Algorithmus keinerlei Verwendung finden.

(Text: Michael Mönnich)

www.michaelmoennich.com

Sigrid Reinichs

Die ausgestellten Fotos verbinden sich durch Stärke und Verletzlichkeit. Es geht darum, dass man nicht zurückweicht, wenn man ängstlich ist sondern in Kontakt mit anderen geht, sich berühren lässt, sich auch in seiner Verletzlichkeit zeigt. (So geht es Sigrid und vielleicht oder bestimmt geht es vielen anderen Menschen auch so). Zwischen ihr und ihrem Gegenüber entsteht eine gemeinsame Schnittmenge. Sigrid und die portraitierten Frauen öffnen gegenseitig den Raum dazwischen, dass etwas passieren kann, denn, so sagt sie, wenn jede*r sich öffnet, passiert ganz viel.
Fotografie erfordert, dass man rausgeht, dass man mutig ist. Man muss auch etwas geben von sich, nicht nur nehmen beim Fotografieren. Sie möchte in Kontakt mit den Frauen gehen, sie interessiert sich für die Frauen, sie möchte den Frauen nah sein, nah dran sein und trotzdem nicht die Würde des*der anderen nehmen.
Ihre Bilder sind wahrhaftig. Die Menschen sind, wie sie sind. Sie sind ehrlich, keine*r möchte etwas ‚verkaufen’.
Interessanterweise ging es in den Gesprächen während des Fotografierens mit nahezu allen Frauen ganz ungeplant um existenzielle Themen, um Verletzungen, um schwere Dinge, die sie erlebt haben und trotzdem sind sie so mutig, verstecken sich nicht, wofür Sigrid sehr großen Respekt hat.

(Text: Nadine Loës)

www.sigrid-reinichs.de

Anne Wild

Neonazi-Musikfestivals in Themar

Zwischen Juli 2017 und Juli 2019 fanden im thüringischen Themar fünf Neonazi-Musikfestivals statt. Bis zu 6000 Personen pro Festival besuchten die als politische Kundgebungen deklarierten Veranstaltungen.

Die Musik-Events werden von den Veranstalter*innen offiziell als Kundgebungen angemeldet, weil diese unter besonderem gesetzlichen Schutz stehen. Politische Kundgebungen können nicht verboten werden und die Polizei muss einen gesicherten Ablauf gewährleisten.

Großveranstaltungen dieser Art mit Besucher*innen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland sind Vernetzungstreffen für die rechte Szene. Parteikader, Aktivist*innen von rechtsextremen Gruppierungen wie etwa Combat 18, Blood & Honour, Hammerskins, verschiedenen Kameradschaften, Musikproduzent*innen, Bands, Hersteller*innen von Szenekleidung treffen sich und tauschen sich aus. Den Teilnehmer*innen bieten die Konzerte ein Gemeinschaftserlebnis, das die persönliche Verortung in der rechten Szene festigt.

Auch finanzielle Aspekte spielen eine große Rolle. Schätzungen zufolge wurde mit dem ersten Rechtsrockfestival in Themar allein über Eintritt und Getränke bereits ein Gewinn im sechsstelligen Bereich generiert. Hinzu kommen hohe Umsätze an den Merchandisingständen. Der Vertrieb von Musik, Kleidung und Accessoires ist ein bedeutendes Finanzierungsmittel für rechtsextreme Strukturen – ein Millionengeschäft.

Fast alle Besucher*innen in Themar stellten mittels Kleidung, Tätowierungen und Schmuck ihre politische Gesinnung deutlich zur Schau. Sie präsentierten sich in T-Shirts mit aufgedruckter Propaganda – von Wehrmachtsverherrlichung bis zu antisemitischen Parolen – oder trugen einschlägige rechte Marken.

Pegida München. Das geschriebene Wort – eine Langzeitbeobachtung

Seit mehr als fünf Jahren ist der Münchner Ableger der 2014 in Dresden initiierten rassistischen und islamfeindlichen Pegida-Bewegung (»Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands«) in der Stadt aktiv. Zunächst unter dem Namen Bagida, später dann als Pegida München.

Bis zum August 2017 wurden wöchentlich immer montags Kundgebungen mit Demonstrationszügen an wechselnden Plätzen in München, darunter bewusst auch an historisch belasteten Orten wie dem Königsplatz oder vor der Feldherrnhalle, durchgeführt. Heute organisieren die Macher*innen von Pegida München hauptsächlich Standkundgebungen in München, aber auch in anderen Städten (beispielsweise Augsburg, Regensburg, Berlin).

Bei Pegida kamen und kommen die verschiedensten rechten Organisationen und Aktivist*innen zusammen: Parteien wie die AfD, NPD, Die Rechte und III. Weg, Reichsbürger*innen, rechte Verschwörungstheoretiker*innen und Esoteriker*innen, christliche Fundamentalist*innen, Geschichtsrevisionist*innen, Neonazis aus Kameradschaften, Identitäre Bewegung, rechte Fußball-Hooligans und sogenannte »besorgte Bürger«.

Zuletzt kooperierte Pegida München mit der »Bürgerinitiative Ausländerstopp« (kurz BIA), einer Tarnliste der NPD, deren Vorsitzender Karl Richter bei der Kommunalwahl erneut in den Stadtrat einziehen wollte. Pegida-Organisator Heinz Meyer, der Behörden als rechtsextremer Gefährder gilt, wollte für die BIA als Oberbürgermeister kandidieren.

Ebenso wie die Reden, die von Pegida-Teilnehmer*innen auf ihren Veranstaltungen gehalten wurden, zeugen die mitgeführten Transparente und Texttafeln von den neofaschistischen Tendenzen und der menschen- und demokratiefeindlichen Agenda der »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«.

(Texte: Anne Wild)

www.annewild.de

 

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sowie zur übergeordneten Seite der Förderpreise 2020.

<p>Maria Leonardo Cabrita, <em>Vulcano</em>, 2017. Foto: Maria Leonardo Cabrita</p>

Maria Leonardo Cabrita, Vulcano, 2017. Foto: Maria Leonardo Cabrita

<p>Jutta Görlich und Edward Beierle, <em>Ach, bleib!</em> Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz</p>

Jutta Görlich und Edward Beierle, Ach, bleib! Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz

<p>Jutta Görlich und Edward Beierle, QUIVID-Projekt <em>Kunst für Kinder</em> 2018. Foto: beierle.goerlich</p>

Jutta Görlich und Edward Beierle, QUIVID-Projekt Kunst für Kinder 2018. Foto: beierle.goerlich

<p>Saskia Groneberg, <em>Garden City</em>, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Saskia Groneberg</p>

Saskia Groneberg, Garden City, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Saskia Groneberg

<p>Foto: Peter Langenhahn</p>

Foto: Peter Langenhahn

<p>Michael Mönnich, <em>Arbeit, Heim, Komfort</em>, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz</p>

Michael Mönnich, Arbeit, Heim, Komfort, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz

<p>Michael Mönnich, <em>Arbeit, Heim, Komfort</em>, Screenshot: Michael Mönnich</p>

Michael Mönnich, Arbeit, Heim, Komfort, Screenshot: Michael Mönnich

<p>Sigrid Reinichs, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz</p>

Sigrid Reinichs, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz

<p>Anne Wild, <em>Neonazi-Musikfestivals in Themar</em>, <em>Pegida München. Das geschriebene Wort – eine Langzeitbeobachtung</em>, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz</p>

Anne Wild, Neonazi-Musikfestivals in Themar, Pegida München. Das geschriebene Wort – eine Langzeitbeobachtung, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Alescha Birkenholz

<p>Anne Wild, <em>Pegida München. Das geschriebene Wort – eine Langzeitbeobachtung</em>, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Anne Wild</p>

Anne Wild, Pegida München. Das geschriebene Wort – eine Langzeitbeobachtung, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Anne Wild

<p>Anne Wild, <em>Neonazi-Musikfestivals in Themar</em>, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Anne Wild</p>

Anne Wild, Neonazi-Musikfestivals in Themar, Installationsansicht Förderpreise 2020 in der Lothringer 13, Halle. Foto: Anne Wild

<p>Anne Wild, Besucher des Neonazi-Musikfestivals „Rock für Identität“ im thüringischen Themar 2017, Foto: Anne Wild</p>

Anne Wild, Besucher des Neonazi-Musikfestivals „Rock für Identität“ im thüringischen Themar 2017, Foto: Anne Wild